SCHAUSPIELER TINO LEO SPIELT
„ICH BIN NICHT SIEGFRIED“

Gekränkt ist Brünhild von Kriemhilds Gemeinheit, von Gunthers Schwäche und Siegfrieds Niedertracht.
Ihre Silhouette lässt der Schauspieler Tino Leo mit wenigen Linien entstehen, um sie als Königin von großem Wuchs zu charakterisieren. Der schnelle Rollenwechsel von männlichem Held zu gekränkter Frauenfigur reizt den Schauspieler, der
zwölf Figuren des Heldenepos allein darstellt.

Tino Leo zeichnet in seinem Ein-Mann-Stück in schnellen Skizzen an Flipchartseiten, um dann als Siegfried mit ihnen zu sprechen oder in der Rolle als Schmied, Gunther, Brünhild oder Kriemhild aus ihrer jeweiligen Silhouette zu treten. Dabei nimmt er Körperhaltung, Gang und Stimme der Figuren überzeugend an und nimmt die Kinder mit auf die Reise Siegfrieds von dessen Kindheit, seiner Ausbildung bei Mime, zur „Streitschlichtung“ der Söhne des Königs Nibelung und dem Kampf mit dem Drachen, in dessen Blut er badete. Interessant dabei war, dass sich kein Kind daran störte, dass es weder Blut noch
einen Drachen oder einen wirklichen Zwerg Alberich zu sehen gab. Als Schwert Balmung diente eine zusammengerollte Seite Papier. Als Blatt, das auf Siegfrieds Schulter landete, ein schwebendes Papiertaschentuch. Humorvoll wurde es, als Siegfried am Wormser Hof um Kriemhild wirbt, und als Bedingung für eine Hochzeit für seinen zukünftigen Schwager Gunther um Brünhild, die Königin von Island, werben soll. Da diese jedoch sich nur einem Mann hingeben würde, der sie in
drei Kampfspielen besiegen kann, kommt es zu einem Wettbewerb: Steinwurf, Weitsprung und Speerwurf, dargestellt durch Stifte, war tatsächlich so spannend, dass einige Zuschauer aufstanden, um alles mitverfolgen zu können. Ein zweites Mal bittet Gunther den kampferprobten Siegfried um Hilfe, weil die ihm angetraute Jungfrau mit ihren übernatürlichen Kräften ihn nicht sein eheliches Recht in die Tat umsetzen lässt. Durch die Tarnkappe unsichtbar besiegt Siegfried Brünhild
in einer „Kissenschlacht“. Genau das wird der Anfang von Siegfrieds Ende.

Bis zu diesem folgten die SchülerInnen der siebenten Klassen gebannt dem energiegeladenen Spiel des Mainzer Schauspielers und belohnten seine Kunst mit ausgiebigem Applaus. In einer Gesprächsrunde durften die interessierten Kinder ihn dann noch zu seinem Beruf befragen. Es war ein schönes Gefühl, wieder ein bisschen Normalität zu spüren, wenn in der Mediathek des Gymnasiums wieder Theateraufführungen und Lesungen stattfinden können.

A. Eddahbi