Eine Schule wird zum Staat:
Für vier Tage im November ist nicht der Vatikan in Rom der kleinste Staat der Welt, sondern die Republik Trimon in Spaichingen. Von Mittwoch, 19. November, bis Samstag, 22. November, verwandelt sich das Spaichinger Gymnasium in ein Gemeinwesen namens Trimon mit eigener Regierung, eigener Währung, eigener Flagge, eigener Hymne und eigenen Gesetzen.
„Schule als Staat“ heißt das Projekt, bei dem eine Schule ein Staatswesen simuliert. Nach Ansicht von Mitorganisator Christian Jülg kann „Schule als Staat“ mit dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler zu „mündigen, kritischen und eigenverantwortlichen Menschen“ heranwachsen. Der Deutsch- und Geschichtslehrer sieht einen großen Gewinn in der Selbstwirksamkeit, die Schülerinnen und Schüler bei dem Projekt erfahren: „Ich kann mich selbst in Rollen ausprobieren, ich kann Dinge gestalten und ich erlebe, dass ich etwas verändern kann“, so Jülg. In ihrem Alltag erlebten Schülerinnen und Schüler den Staat eher passiv, bei „Schule als Staat“ könnten sie dagegen ein Staatswesen aktiv mitgestalten, sagt der Lehrer.
Wer das Schulgelände an der Sallancher Straße betritt, überquert die Staatsgrenze zur Republik Trimon. Staatsbürger sind alle Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer. Ab Donnerstag dürfen auch Besucher nach Trimon einreisen und sich am Zoll ein Visum ausstellen lassen. Wenn sie in der Republik etwas kaufen, essen oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen möchten, sollten die Gäste auch Geld in die Landeswährung umtauschen. Denn in Trimon wird ausschließlich in „Trimoneten“ bezahlt, zehn davon gibt es für einen Euro.
Geld ausgeben kann man bei rund 40 Firmen, die Schülerinnen und Schüler aber auch Lehrerinnen und Lehrer seit den Sommerferien gegründet haben. Neben gastronomischen Betrieben, darunter etwa eine Sushi-Bar und eine Holzofenbäckerei, gibt es auch einen Secondhand-Laden oder eine Firma, die Kapuzenpullis mit dem Schullogo verkauft. Dafür, dass es in Trimon sauber und aufgeräumt zugeht, sorgen ein Müll- und ein Spülunternehmen. Einweggeschirr und -besteck sind in der Republik verboten.
Dank einer Kunstakademie, eines Straßenmusik-Kollektivs und einer Kleinkunstbühne kommt in Trimon auch die Kultur nicht zu kurz. Zudem gehört eine Hilfsorganisation zum Gemeinwesen, die Hilfsprojekte in Ecuador und Madagaskar vorstellt und unterstützt.
Selbstverständlich ist Trimon eine Demokratie. Fünf Parteien sitzen im Parlament, dem so genannten Trimon-Rat. Gewählt hat die Schulgemeinschaft des Gymnasiums Spaichingen bereits im vergangenen Mai: neben dem Trimon-Rat auch einen Präsidenten. Staatsoberhaupt ist der Zehntklässler Luke Berner, Vizepräsidentin ist Mathilde Rüberg aus der Jahrgangsstufe zwölf. Seit der Wahl haben Parlament und Regierung vier Mal getagt und dem Staat eine Verfassung, dem Parlament eine Satzung, der Justiz eine Ordnung und den Firmen Regeln gegeben. Über die Einhaltung der Gesetze wacht ein so genannter Ordnungsdienst.
Für Luke Berner, der sich „nicht als Präsident über den Bürgern, sondern für die Bürger“ versteht, ist das Projekt auch eine Chance der Begegnung zwischen Mitgliedern der Schulgemeinschaft, die sonst wenig miteinander zu tun haben. Trimon könne einen verbindenden Effekt „für die nächsten Jahre“ haben, hofft der Präsident.
„Schule als Staat“ habe am Gymnasium Spaichingen bereits Tradition, erzählt Christian Jülg. Alle sechs Jahre verwandelt sich die Schule in ein Staatswesen: zum ersten Mal 2013 in die Republik Primus, 2019 in Rotan und jetzt in Trimon. Nach Spaichingen gebracht hat das Projekt der Gemeinschaftskunde- und Deutschlehrer Michael Hauß. Er war auch diesmal federführend bei der Planung. Unterstützt wurde er von einem Organisationsteam aus rund 40 Schülerinnen und Schülern sowie 14 Lehrerinnen und Lehrern. Die Planungs- und Vorbereitungsphase für das diesjährige Schule-als-Staat-Projekt begann bereits im Juli 2024.
Voll hinter dem Projekt steht auch Schulleiter Jürgen Pach. „Gerade in Zeiten, in denen Populisten und Demokratiefeinde versuchen, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu diskreditieren, ist es wichtig, dass junge Menschen sehen, erleben und ausprobieren, wie unsere Demokratie funktioniert und welch hohes Gut die persönliche Freiheit ist, sagt Pach. Genau das werde mit Trimon „im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar”. Der Schulleiter ist übrigens auch selbst unternehmerisch im Staat tätig. Er betreibt als „Elvis-Impersonator“ eine Hochzeitskapelle namens „My big fat Trimon Wedding“.
Info: Besuchertage und „Empfang der Republik“
Ab dem zweiten Tag steht die Republik Trimon auch Besuchern offen, und zwar Donnerstag, 20. November, von 7:45 bis 19:30 Uhr, Freitag, 21. November, von 7:45 bis 16:30 und Samstag, 22 November, von 10 bis 15 Uhr.
Am Donnerstag, 20. November, findet ab 17 Uhr ein festlicher „Empfang der Republik“ mit anschließendem Kulturprogramm statt. Prominente geladene Gäste sind neben Landrat Stefan Bär und Bürgermeister Markus Hugger auch der Spaichinger Gemeinderat sowie die Schulleitungen der Spaichinger Schulen.
Föhl

